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Wie alles begann
Der Prinz gab das Signal: „Brechen
wir auf!“
Die Pferde setzten sich in
Bewegung, fielen sogleich in leichten Galopp. Die Sonne begann eben, sich
hinter den nahegelegenen Wäldern über den Horizont zu heben,
die Luft war klar und frisch, von den taubenetzten Wiesen stieg feiner
Dampf auf, ein wunderbarer Morgen. Auf den Köpfen der Rösser
wippten fröhlich die bauschigen, schwarz-weißen Federbüsche,
erhaben wehte über ihren eigenen die Standarte, die der Leutnant fest
in seinem Steigbügel verankert hielt. Die drei Reiter näherten
sich rasch, doch ohne Hast dem unter freiem Himmel aufgebauten Verhandlungstisch,
der für das Treffen genau zwischen der Burg und dem prinzlichen Lager
errichtet worden war.
Aus der Ferne konnten sie erkennen,
wie von den wuchtigen grauen Mauern her auch die andere Partei sich näherte.
Prinz Murmel war voll gespannter Erwartung. Er hatte gehört, daß
die feindliche Befehlshaberin eine junge Frau war, beliebt bei ihren Leuten,
geschickt im diplomatischen Umgang, und auch in der Kriegskunst versiert.
Nicht, daß er sich ernsthafte Sorgen machte. Die Festung war mächtig,
zweifellos. Doch das Heer, das er auf dieses Feld geführt hatte, war
das stärkste, das dieses Land in Jahrzehnten gesehen hatte. Rund um
die Burg breitete sich ein unüberschaubares Geflecht von Zelten, Feuerstellen,
Werkstätten aus. Da standen Maschinen zum Graben von Fallgruben vor
den Burgtoren, Spezialkessel, um den Feind mit flüssigem Wachs zu
übergießen, und die gefürchteten Werfer für sauren
Rübensaft. In den Zelten lagerten diverse Geheimwaffen: Bodenfliesen,
die, als Schokoladentafeln getarnt, in die Burg geschmuggelt wurden, Bungeejumping-Seile,
die im entscheidenden Moment nachgaben, führerlose Heißluftballone
oder Betonkugeln, die bemalt wie Fußbälle vor die Tore gelegt
wurden.
Der Prinz hoffte, der ganzen
Sache ein rasches Ende bereiten zu können, am besten durch Übergabe
der Festung ohne langen, mühsamen Kampf. War seine Kontrahentin so
klug, wie behauptet wurde, konnte er sie vielleicht davon überzeugen,
daß Widerstand zwecklos war. Falls nicht... nun, er war für
den Kampf gewappnet!
Im Nu hatten sie die kurze
Strecke zwischen Lager und Treffpunkt überwunden. Gleichzeitig sprangen
beide Parteien von ihren Pferden. Der Leutnant bleib einige Schritte zurück
bei ihren Pferden, und der Prinz trat mit seinem Marschall Peppikatz an
den schweren hölzernen Tisch, den auf jeder Seite zwei Feldstühle
ergänzten. Ihm gegenüber erwartete sie eine in leichte Rüstung
gekleidete, liebreizende junge Frau mit entschlossenem Blick, neben sich
einen ihrer Generale.
Einen Moment lang standen
sie sich zu viert gegenüber und musterten einander, niemand sprach
ein Wort. Schließlich verneigte sich der Prinz: „Seid gegrüßt!
Setzen wir uns doch.“ Und er faßte die Lehne eines der Stühle.
Doch seine Kontrahentin entgegnete:
„Danke, aber wir ziehen es vor zu stehen. Sagt, was Ihr zu sagen habt,
wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
„Oh“, stutzte er. Das würde
schwierig werden, sehr schwierig, er hatte es befürchtet! Nun gut.
Der Prinz legte unbeirrt die Lage dar, wie sie sich aus seiner Sicht darstellte,
und empfahl schließlich eine Übergabe der Burg, um den unausweichlichen
Ausgang der Konfrontation nicht unnötig lang hinauszuzögern.
Sie hörte sich seinen
Vortrag ruhig an. Gelegentlich spielte ein amüsiertes Lächeln
um ihre Lippen. Am Ende entgenete sie: „Meint Ihr, Prinz, wir wüßten
uns nicht zu wehren? Was für unüberwindliche Mittel besitzt Ihr,
daß Ihr so absolut siegessicher seid? Ihr beeindruckt mich bisher
nicht sonderlich.“
„So.“ Prinz Murmel kicherte
leise. „Ich kann Euch natürlich nochmals befragen, sobald ich Euch
als Larve verkleidet in den Fischteich geschubst habe.“
„Wie originell“, grinste es
ihm frech entgegen. „Ich beschmiere Euch vollständig mit Honig und
stecke Euch kopfüber in einen Termitenhügel!“
„Huch?“ Der Prinz stutzte.
Damit hatte er nicht gerechnet. Aber er faßte sich rasch: „Wie würde
es Euch bekommen, auf Rollschuhen die Treppe Eures Hauptturms hinuntergeschubst
zu werden, hm?“
Sie blieb gelassen: „Ich möchte
Euer Gesicht sehen, habt Ihr erst eine Ladung von meinem besten Sekundenkleber
im Ohr!“
Der Prinz war verblüfft.
„Diese Frau ist ausnehmend perfide!“ raunte er dem Marschall zu. Dann,
wieder zu ihr gewandt: „Also schön, was sagt Ihr, wenn ich einfach
in der hiesigen Zeitung einen kompletten Inventarverkauf Eurer Burg inseriere,
und zwar für morgens früh um 6 Uhr, hm?“
„Das macht mir wenig“, erwiderte
sie fröhlich. „Ich werde dafür in Eure sämtlichen Waschmittelbestände
ein wenig Betonpulver mischen lassen. Wie das wohl Eure Wäsche verträgt!“
„Beeindruckend“, murmelte der
Prinz. Und dachte angestrengt nach, sie dabei eingehend musternd. Hm. Sie
gefiel ihm. Warum eigentlich sollten sie Feinde sein? Wo sie doch anscheinend
beide überaus gute Ideen hatten, wie sie mit ihren Feinden umgehen
konnten...
Er überlegte nur noch
einen winzigen Moment länger, dann hatte er sich entschlossen. Er
verneigte sich erneut, bot ihr die Hand dar und sprach: „Ihr seid wahrhaft
außergewöhnlich! Erweist mir die Ehre, Euch als meine Prinzessin
zu betrachten, und laßt uns fürderhin Seite an Seite in die
Schlachten ziehen!“
Sie hob ein wenig überrascht
die Augenbrauen. Doch gleichzeitig wandelte sich ihr freches Lächeln
in ein eher geschmeicheltes. Und sie entgegnete: „Prinz, ich hoffe, dies
ist nicht nur eine Finte. Ansonsten muß ich zugeben, daß mir
dieses Ansinnen durchaus überdenkenswert erscheint. Nun, es sei so,
laßt uns diesen Pakt schließen!“ Damit reichte auch sie ihm
ihre Hand zum gemeinsamen Schlachtenbund.
Seit dem Tag zogen sie, weit
und breit von Freunden geachtet, von Feinden gefürchtet, sich gegenseitig
zur Seite stehend, in so manche Schlacht. Nur ganz selten lieferten sie
sich selbst das eine oder andere Scharmützel - natürlich ausschließlich
zu Übungszwecken! Und wenn sie ihre Accounts nicht gelöscht haben,
schlachten sie noch heute...
:o)
Der Murmelprinz auf einem
seiner Feldzüge (hier in der Wüste,
wo ihn mal wieder jemand zum
Staubsaugen hingeschickt hatte)
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